Finanztest 02.2020 Die besten Pflegetagegeld-Tarife im Test – Ein Kommentar

 

Avanti dilettanti – und ewig grüßt das Murmeltier

Auch im neuen Jahr bleibt die Stiftung Warentest sich treu und veröffentlicht erneut einen Test mit handwerklichen Fehlern.

Nach dem in Finanztest 11.2019 mit zweifelhaften Mindestkriterien leistungsschwache PKV-Tarife der Krankenvollversicherung empfohlen wurden und ein Testsieger gekürt wurde, der bei eher mittelmäßigem Leistungsniveau lediglich in 2 Bundesländern abgeschlossen werden konnte (wir berichteten: Finanztest 11.2019 Die besten PKV-Tarife – Sparen Sie nicht bei der Leistung, sparen Sie sich diesen Test) – hofft man jedes Mal, die Kritik würde Wirkung zeigen, aber weit gefehlt.

Fehler kann man machen, aber bitte nur einmal und nicht wiederholt und permanent. Irgendwann sollte jeder dazu lernen, auch die Stiftung Warentest …

Die angeprangerten Fehler in der Krankenvollversicherung ziehen sich wie ein roter Faden durch die Veröffentlichungen und wurden bereits im Vorgänger-Heft Finanztest 05.2014 angemahnt. Auch andere Kollegen monieren schon seit Jahren die fragwürdigen Tests – z.B. im Bereich der Berufsunfähigkeit (Matthias Helberg) oder private Krankenversicherung (Sven Hennig) – um nur einige zu nennen.

Aber die Stiftung Warentest stellt sich taub – um nicht zu sagen stur – und veröffentlich aktuell in Finanztest 02.2020 einen Vergleich der besten Tarife der Pflegetagegeldversicherung. Eigentlich eine gute Sache, wenn man aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt hätte …


Komplizierte Modellfälle

Der Vergleich der Pflegetagegeldversicherung basiert auf zwei Modellkunden im Alter von 45 und 55 Jahren mit einem zu zahlenden Beitrag von 57 bzw. 89 Euro / Monat, der die Versorgungslücken der gesetzlichen Pflegeversicherung decken soll.

Fixe Tarife mit vorgegebenen prozentualen Leistungen je Pflegegrad

Bei 23 fixen Tarifen ist die prozentuale Verteilung der vereinbarten Tage- oder Monats­gelder auf die Pfle­gegrade vom Kunden nicht beein­fluss­bar. Das vereinbarte Pflege­geld gilt in der Regel für die voll­stationäre Pflege in Pfle­gegrad 5.

Flexible Tarifen mit freier Leistungs­verteilung nach Vorgaben

Bei den 10 flexiblen Tarifen kann der Kunde die Leistungs­verteilung auf die fünf Pfle­gegrade mit gewissen Einschränkungen selbst fest­legen. Meist darf ein höherer Pfle­gegrad nicht geringer versichert werden als der darunter liegende Pflegegrad wie z.B. bei der Gothaer, INTER, SDK und Vigo. Keine Einschränkungen bei der Wahl der Leistung je Pflegegrad gibt es bei den Tarifen der DFV.

Um interessierte Kunden vollends zu verwirren, werden sowohl für fixe als auch flexible Tarife zusätzlich noch 3 Modellvarianten betrachtet:

  • Modell 1 („Treppe-Treppe“). Mit jedem höheren Pfle­gegrad (ambulanter und stationär) gibt es mehr Geld
  • Modell 2 („Treppe-Konstant“). Ambulant steigt die Leistung mit den Pfle­gegraden, stationär sind mindestens die Pfle­gegrade 2 bis 5 gleich hoch abge­sichert
  • Modell 3 („Konstant-Konstant“). Sowohl ambulant als auch stationär sind mindestens die Pfle­gegrade 2 bis 5 gleich hoch abge­sichert

 

Pflegelücke nach Geldbeutel

Die zugrundeliegenden Annahmen der Stiftung Warentest sind jedoch nicht von dieser Welt: Bemisst sich neuerdings die Pflegelücke daran, welche Lücke ich mir leisten kann?

Der korrekte Weg wäre, die Pflegelücke je Pflegegrad (PG) zu definieren und daraus die benötigten Leistungen je Pflegegrad festzulegen. Erst im Anschluss wird ermittelt, welchen Betrag die Versicherer verlangen um die Pflegelücke in den PG1-5 zu schließen. Wie schon in der Vollversicherung kann man Kunden nicht per se unterstellen, sie können sich die Pflegetagegeldversicherung nicht leisten …

Umgekehrt wird ein Schuh daraus: man zeigt den Kunden, was es kostet die Pflegelücke zu schließen und die Kunden entscheiden, ob und welchen Betrag sie investieren, um das Pflege-Risiko zu minimieren oder ganz zu schließen.

Zielführender wäre es also die Pflegelücken der jeweiligen Pflegegrade als Leistungen vorzugeben: Einerseits werden fixe und flexible Tarife so miteinander vergleichbar, da für beide Tarifarten dieselben Leistungen je Pflegegrad vorgegeben werden – andererseits sieht man die zu zahlenden Beiträge und Leistungen im direkten Vergleich.

Letztlich ist es das, was den Verbraucher interessiert:

  • Wie kann ich meine Pflegelücke absichern?
  • Welche Leistung erhalte ich in den jeweiligen Pflegegraden?
  • Was kostet mich diese Art der Absicherung?

 

Nur einfacher Bedingungstest

Während die zuvor erwähnten Grundlagen und Modelle den Test der Pflegetagegeld unnötig verkomplizieren ist die Untersuchung der Bedingungen eher schlicht gehalten: In das Qualitätsurteil geht das Leistungsniveau der Tarife zu 80 Prozent ein, die weiteren Vertragsbedingungen zu 20 Prozent.

Die Bewertung der Bedingungen sieht wie folgt aus:

  • das Leistungsniveau wird zu 80 Prozent bewertet
  • für einen 55-jährigen Modell­kunden mit einem monatlichen Beitrag von rund 89 Euro und
  • für einen 45-jährigen Modell­kunden mit einem Monats­beitrag von etwa 57 Euro
  • Tarife ohne Beitragsbefreiung werden abgewertet, da der Zahlbetrag von der Pflegeleistung abgezogen wird
  • die Leistungen werden nach PG und Pflegesituation in Abhängigkeit von der Häufigkeit des Auftretens gewichtet – auch hier fehlen genaue Angaben zur Gewichtung
  • weitere Vertragsbedingungen werden zu 20 Prozent bewertet
  • wie genau Dynamik, Sonderzahlungen, Entfall Wartezeiten die Note beeinflussen wird nicht erläutert

 

Die üblichen Ungereimtheiten

Die so ermittelten Finanztest-Ergebnisse sind wieder einmal nicht zu gebrauchen. Die Ergebnisliste ist schlichtweg für den Papierkorb – aus der Tabelle ist nicht ersichtlich, wer welche Kriterien wie erfüllt:

„fast alle Unternehmen verzichten auf die Wartezeit von bis zu drei Jahren“

… aber es wird keine Angabe gemacht, wer nicht darauf verzichtet

„alle Tarife bieten eine Dynamik an“

… aber es wird keine Aussage getroffen, welcher Tarif auch eine Dynamik im Leistungsfall beinhaltet

Zusätzlich erfolgt auch keine Bewertung der Beitragsanpassungen in der Vergangenheit (siehe Kommentare bei Finanztest)

Auch ist aus der Tabelle nicht ersichtlich

  • wie die Gewichtung der Leistung nach Pflegegrad und Pflegesituation in Abhängigkeit von der Häufigkeit / Wahrscheinlichkeit genau aussieht
  • welcher Nachweis zur Anerkennung der Pflegebedürftigkeit verlangt und wird und wie dies bewertet wurde
  • was bei einem Wegzug aus Deutschland mit der Pflegetagegeldversicherung passiert
  • wie eine weltweite Gültigkeit bewertet wurde?

 

Die Bedeutung der Leistungsvoraussetzungen

Ebenso wichtig wie die Leistung selbst sind die Voraussetzungen, um die Leistungen überhaupt erst zu erhalten:

  • Gibt es Fristen bei der Leistungsbeantragung zu beachten sind, wenn ja welche?
  • Erfolgt eine rückwirkende Gewährung der Leistung ab Pflegebedürftigkeit?
  • Wer prüft die Pflegebedürftigkeit?
  • Werden alternative Gutachten zur Leistungserbringung anerkannt?

Jede Menge Fragen, auf die der Kunde bei Finanztest vergeblich eine Antwort sucht …

 

Die Testsieger

Generell stellt sich bei diesem Test die Frage, weshalb hier ausgerechnet die Altersgruppe 45 und 55 Jahre betrachtet werden? Letztendlich gilt in der Pflegeversicherung derselbe Grundsatz wie in der Vollversicherung: Je früher der Abschluss, desto günstiger die Prämie. Oftmals fällt in jungen Jahren auch eine Gesundheitsprüfung positiver aus (da weniger Vorerkrankungen).

Testsieger bei den 45-Jährigen

Testsieger bei den 45-Jährigen ist die HanseMerkur mit dem Tarif PG, auch wenn der Versicherer nicht die höchsten Leistungen je Pflegegrad bietet.

„Falls im Pflegefall die Beiträge weiter gezahlt werden müssen, haben wir diese von der Leistung abge­zogen“

Ferner weist der Tarif PG auch keine Beitragsbefreiung auf – obwohl Finanztest eine Beitragsbefreiung im Pflegefall indirekt fordert. Besitzt der Tarif keine Beitragsbefreiung, wird der zu zahlende monatliche Beitrag von der Leistung abgezogen.

Letztendlich ist die Beitragsbefreiung im Falle der Pflegebedürftigkeit kein wesentliches Entscheidungskriterium, denn wer eine Beitragsbefreiung wünscht, kann ein höheres Pflegetagegeld abschließen und damit die Beitragsfreiheit (durch die höhere Pflegeleistung) sich selbst erkaufen.

Auch gibt die HanseMerkur keine Auskunft zur Versicherungsfähigkeit von Vorerkrankungen. Damit stellt sich die Frage, wieso die HanseMerkur nach Aussage von Finanztest eine strenge Antragsannahme besitzen soll, wenn der Versicherer keinerlei Angaben dazu macht, wie sie mit Kunden bei Vorerkrankungen umgeht? Irgendwie sind die Schlussfolgerungen der Stiftung Warentest nicht nachvollziehbar …

Und was ist mit den Versicherern Arag, Axa und Gothaer? Diese lehnen Anträge mit den genannten Vorerkrankungen generell ab. Kann man machen, muss man aber nicht – wie andere Versicherer beweisen.

 

Testsieger bei den 55-Jährigen

Testsieger bei den 55-Jährigen ist die Deutsche Familienversicherung (DFV) mit dem Tarif Deutschlandpflege Flex. Interessanterweise wird der Testsieger auf der Webseite der DFV gar nicht angezeigt.

Hier werden noch die alten vier Varianten (Basis, Komfort, Premium, Exklusiv) aufgelistet – z.B. mit einer Verdoppelung der gesetzlichen Pflegeleistung in der Exklusiv-Variante.

Wer den Tarif DFV Pflege Flex rechnen möchte, kann dies über eine separate Webseite der Deutschen Familienversicherung tun.

 

Bild: DFV

 

Fazit

Wieder einmal nimmt die Stiftung Warentest in einem Produkt-Test von Versicherungen eine Bewertung / Gewichtung vor, die nicht offengelegt wird. Zusätzlich legt Finanztest selbst fest, welchen Beitrag die Pflegetagegeldversicherung kosten darf – ziemlich sonderbar für einen objektiven Test, wenn das Ergebnis bereits vorab festgelegt wird …

Von einer steuerfinanzierten Institution (mit 100 Mio. Euro Stiftungskapital, finanziert durch den Steuerzahler, der auch für etwaige Verluste der Stiftung aufkommt) sollte man mehr erwarten können:

  • Tests mit objektiven, nachprüfbaren Kriterien
  • eine gewisse Kritikfähigkeit, um vorhandene Test-Fehler zu beseitigen
  • eine aussagekräftige Ergebnisliste auf Basis harter Kriterien anstelle von weichen Mindestkriterien

Solche Tests wie zur Kranken-Vollversicherung oder jetzt zur Pflegetagegeldversicherung sollte sich mal ein Versicherer oder Versicherungsvermittler erlauben – der Aufschrei der Verbraucherschützer sowie der mediale Shitstorm wäre enorm …

So bleibt alles beim Alten:

Verbraucherschützer wie auch die Tester der Stiftung Warentest haften nicht für ihre Tests und Empfehlungen – im Gegensatz zu Versicherern und Vermittler, die für solche Aussagen im vollem Umfang haften.

 

Weitere Informationen finden Sie auf unserer Seite “Pflegeversicherung – Rechtzeitig vorsorgen & entspannt das Leben genießen“.